Günter Baumann, MdB

 

Debatte zum Tätigkeitsbericht 2004 des Petitionsausschusses des Deutschen Bundestages

am 15. Juni 2005. (Drs. 15/5770)

 


 

Herr Präsident, meine Damen und Herren,

 

Ich bedaure dass wir nur 30 % der Zeit des letzten Jahres für die Diskussion des Petitionsberichtes haben.

Dem Grundrecht des Artikels 17 GG kommt doch eine herausragende Bedeutung in unserem Staate zu!

 

18.000 Bürger haben sich im Jahr 2004 mit Beschwerden oder Bitten zur Gesetzgebung an den Deutschen Bundestag gewandt.

Das ist ein deutlicher Anstieg gegenüber dem Vorjahr.

 

Auch diesmal ist der Anteil der Bürgerinnen und Bürger aus den neuen Bundesländern prozentual am höchsten.

Gerade hier in den Neuen Ländern, 15 Jahre nach der Deutschen Einheit, gibt es leider noch immer zahlreiche besondere Problemfelder, die aus Sicht der Petenten noch nicht befriedigend gelöst werden konnten.

 

Die gewachsene Zahl an Petitionen im Jahr 2004 hat dem Ausschussdienst des Petitionsausschusses wieder viel abverlangt. Ich möchte namens der CDU/CSU-Fraktion an dieser Stelle allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Ausschussdienstes für ihre fleißige und sachkompetente Arbeit herzlich danken!

Bedanken möchte ich mich auch bei meinen Kolleginnen und Kollegen im Ausschuss für die weitgehend gute Zusammenarbeit über die Fraktionsgrenzen hinweg und dem Vorsitzenden des Ausschusses Karheinz Guttmacher.

Nur durch das kollegiale Miteinander war es möglich, unzähligen Bürgern ganz oder wenigstens teilweise zum Erfolg zu helfen.

 

Leider hat sich in den letzten Wochen das Klima im Ausschuss verschlechtert.

So bedaure ich, dass bei Petitionen, die die Aufar­beitung des SED-Un­rechts betreffen, kei­ne gemeinsame Linie mehr möglich war.

Selbst Kompro­miss­an­ge­bote, wenigstens kleine Zeichen zu set­zen, wenn man schon den Petenten nicht unmittelbar helfen kann, wurden zuletzt ausgeschlagen. Damit wurden die besonderen Möglichkeiten des Petitionsausschusses leider nicht genutzt!

 

In den letzten beiden Sitzungen hat die rot-grüne Ausschuss­mehr­heit - unter Abkehr von dem zuvor vereinbarten Zeitplan - Ent­scheidungen über drei Initiativen herbeigeführt, mit denen sich der Ausschussdienst seit Ende letzten Jahres befasst hat.

Die CDU/CSU-Fraktion hat sich mit den Vorschlägen beschäftigt und signalisiert, sinnvolle Änderungen gemeinsam mit zu tragen.

 

Meine Fraktion hat dem Verfahren zur Einrichtung von E-Mail-Petitionen ab 01. September 2005 zugestimmt. Angesichts der Weiterentwicklung der Tech­nik und der Verbreitung von Internetanschlüssen erscheint es auch uns sachgerecht, künftig E-Mail-Petitionen zuzulassen.

Der Ausschussdienst hat hierfür ein zuverlässiges Verfah­ren ausge­ar­bei­tet, das entsprechend unserer Forderung hinreichende Sicherheit und Zuver­läs­sigkeit ge­währleistet.

 

Auch einem Modellversuch einer Mitzeichnung von Petitionen im Internet stimmen wir heute zu, obwohl bisher die Mehrkosten für den Ausschussdienst nicht exakt bekannt sind.

 

Dagegen haben wir im Hinblick auf  eine Privilegierung von Mas­sen­petitionen, die die Koalition gegen uns durchgesetzt hat,  schwerwiegende Bedenken und befürchten nichtvertretbaren verwaltungstechnischen Aufwand.

Artikel 17 GG ist ein Grundrecht für jedermann und stärkt die Teilhabe des Einzelnen.

Ein Anhörungsrecht für Massenpetitio­nen über 50.000 Unterstützern gibt nur den falschen Anschein einer großen Bürgernähe.

Tatsächlich werden Millionen von Bür­gern, die niemals organisatorisch die Chance haben, eine Massenpetition zu initiieren, damit vor den Kopf gestoßen und faktisch benach­tei­ligt.

Meine Vermutung: - diese Veränderung wird im näch­sten Deutschen Bundestag keinen Bestand haben.

 

Der Petitionsausschuss sollte sich dagegen viel intensiver mit dem Beauftragtenunwesen beschäftigen.

 

Angesichts einer kaum überschaubaren Zahl öffent­licher und privat-wirtschaftlicher Schlichtungsstellen, Ombudseinrichtungen oder spezieller Beauftragten, die sich als Adressaten für Bitten und Beschwerden anbieten, wird es für die Bürger immer schwerer zu ent­scheiden, an wen man sich im Einzelfall sinnvollerweise wen­den sollte.

 

Die CDU/CSU-Fraktion beobachtet die Entwicklung des Be­auf­tragtenwesens im Bereich der Bundesregierung und deren organisatorische und stellenmäßige Ausstattung kritisch.

Während der Stellenabbau in den letzten Jahren auch den Ausschussdienst des Petitions­ausschusses betraf, waren beträchtliche Stellen­auf­wüch­se bei Beauftragten der Regierung zu beobachten.

Das aber wird der Bedeutung des Artikels 17 GG nicht gerecht.

Mehr denn je kommt es deshalb im Interesse einer wirksamen parlamenta­ri­schen Bearbeitung von Bitten und Be­schwer­den darauf an, dem Petitionsausschuss angemessene Mittel zur Verfügung zu stellen, um damit gleichzeitig die parlamenta­ri­sche Kontrolle gegenüber der Exekutive zu stärken.

Das Petitionsrecht hat sich in unserem Lande bewährt und wir dürfen einer teilweisen Untergrabung nicht tatenlos zusehen.

 

 

Ingesamt, so mein Resümee, ist der Petitionsausschuss immer noch das Gremium des Deutschen Bundestages, in dem parteiübergreifend am meisten möglich ist.

 

Leider gibt es aber einige Fälle, in denen SPD und Grüne nicht den Mut aufgebracht haben, auch einmal gegen die eigene Regierung Positionen zu vertreten, die vor Jahren noch rotgrüner Konsens waren.

Ich habe in mehreren Gesprächen meine Kollegen von der Regierungskoalition davon zu überzeugen versucht, den Unterhaltsvorschuss für Alleinerziehende an das Unterhaltsrecht anzupassen.

Hintergrund: Die auf Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz (UVG) angewiesenen Alleinerziehenden sind zur Zeit schlechter gestellt als Alleinerziehende, die von ihrem ehemaligen Partner Unterhalt nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) beanspruchen können.

Dagegen hatte sich per Petition eine Mutter aus Johanngeorgenstadt gewandt. Die Frau hatte beklagt, dass der Bundestag 2001 zwar das Unterhaltsrecht nach dem BGB reformiert und verbessert, den Unterhaltsvorschuss vom Jugendamt dagegen auf dem alten niedrigeren Stand belassen hatte. 

Dies ist eine Ungleichbehandlung, für die es nicht die geringste Rechtfertigung gibt.

Eine widersprüchliche Familienpolitik von Rot-Grün und ein Schlag ins Gesicht allein erziehender Mütter.

 

Zu den positiven Erfahrungen der Ausschussarbeit im Jahr 2004 zählt dagegen z. B., dass sich der Petitionsausschuss parteiübergreifend gegen die Regierung und gegen den lange anhaltenden Widerstand der Deutschen Post erfolgreich für die Wiederauflage eines Postleitzahlenbuches einsetzte.

Ein Anliegen, das gerade von älteren Mitbürgern ohne Internetanschluss immer wieder vorgetragen wurde.

Nach über zehn Jahren werden wir uns in den nächsten Wochen von der Neuauflage des Postleitzahlenbuches überzeugen können.

 

Dieses letzte positive Beispiel soll zeigen, dass wir im Petitionsausschuss Bürgern im Lande helfen können.

Das stärkt das Vertrauen in die Demokratie und ermutigt uns, unseren Dienst am Bürger mit gleichem Einsatz fortzusetzen.