Statement der Teilnehmer des Deutschen Bundestages an dem CBSS-Seminar in Tallinn/Estland am 29. August 2003

 

Die Effizienz von Ombudsmann-Einrichtungen und die Entwicklung von Qualitätskriterien

 

Das Petitionsrecht zählt in Deutschland zu den Grundrechten, deren Wesensgehalt nicht angetastet werden darf. Es verbrieft der Einsenderin bzw. dem Einsender nach höchstrichterlicher Rechtsprechung ein Recht auf Entgegennahme, sachliche Prüfung und einen schriftlichen Bescheid über die Art der Erledigung der Eingabe durch die Volksvertretung.

Die inhaltliche Prüfung einer Beschwerde durch den Petitionsausschuss beginnt in der Regel mit der Einholung einer Stellungnahme des zuständigen Organs der Bundesregierung. Der Auskunftsanspruch des Parlaments gegenüber der Bundesregierung ist deshalb die wichtigste Grundlage für die Vorbereitung einer Beschlussempfehlung. Im Übrigen steht dem Petitionsausschuss deshalb auch das in Artikel 43 Absatz 1 Grundgesetz normierte Recht zu, die Anwesenheit des zuständigen Mitgliedes der Bundesregierung in der Ausschusssitzung zu verlangen.

Der Petitionsausschuss legt gemäß § 112 Absatz 1 der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages dem Plenum des Deutschen Bundestages eine Beschlussempfehlung für die abschließende Behandlung der Petition vor.

Abgesehen von der Erledigung durch bloßen Rat oder Auskunftserteilung lauten die häufigsten Beschlussempfehlungen, das Petitionsverfahren abzuschließen, weil dem Anliegen des Petenten entsprochen wurde oder weil dem Anliegen des Petenten nicht entsprochen werden konnte, da entweder das Verhalten der Verwaltung nicht zu beanstanden war oder eine Gesetzesänderung nicht in Aussicht gestellt werden konnte.

Darüber hinaus sind folgende Beschlussempfehlungen möglich:

-     Überweisung an die Bundesregierung zur Berücksichtigung, wenn das Anliegen des Petenten begründet und Abhilfe notwendig ist;

-     Überweisung an die Bundesregierung zur Erwägung, wenn die Eingabe Anlass zu einem Ersuchen an die Bundesregierung gibt, das Anliegen noch einmal zu
überprüfen und nach Möglichkeiten der Abhilfe zu suchen;

-    Überweisung an die Bundesregierung als Material, um zu erreichen, dass die Bundesregierung die Petition in die Vorbereitung von Gesetzentwürfen, Verordnungen oder andere Initiativen oder Untersuchungen einbezieht;

-    (schlichte) Überweisung an die Bundesregierung, um sie auf das Anliegen des Petenten oder auf die Begründung des Beschlusses des Deutschen Bundestages aufmerksam zu machen;

-    Kenntnisgabe an die Fraktionen des Deutschen Bundestages, weil die Petition als Anregung für eine parlamentarische Initiative geeignet scheint oder die Fraktionen auf das Anliegen des Petenten besonders aufmerksam gemacht werden sollen;

-     Zuleitung an das Europäische Parlament, weil dessen Zuständigkeit berührt ist.

Nach dem Beschluss des Plenums wird den Petentinnen und Petenten die Art der Erledigung ihrer Petitionen mitgeteilt, und zwar in der Regel zusammen mit einer Begründung.

Im Falle der Überweisung von Petitionen zur Berücksichtigung und zur Erwägung entsteht eine Berichtspflicht der Bundesregierung an den Deutschen Bundestag über die ergriffenen oder nicht ergriffenen Maßnahmen zur Abhilfe der Petition. Über diese Antworten der Bundesregierung hat der Petitionsausschuss stellvertretend für den Deutschen Bundestag zu befinden, bevor das Petitionsverfahren abgeschlossen wird.

Die 25 Mitglieder des Petitionsausschusses (11 SPD, 10 CDU/CSU, 2 BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, 2 FDP) verstehen sich als Anlaufstelle für die Anliegen der Bürgerinnen und Bürger. Zu deren Nutzen versuchen sie, bürokratische Hemmnisse und Widerstände zu überwinden und berechtigten Beschwerden zum Erfolg zu verhelfen.

Nach der Wiedervereinigung Deutschlands stieg die Zahl der Eingaben von jährlich etwa 11 – 14.000 in den achtziger Jahren auf knapp 24.000 im Jahre 1992 stetig an. Seitdem fällt die Zahl in Wellenbewegungen wieder. Im Jahr 2002 war mit nahezu 14.000 Eingaben in etwa wieder der Stand vor der Wiedervereinigung erreicht. Der Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages hat im Jahr 2002 alles in allem bei nahezu jeder zweiten Petition etwas für die Petentinnen und Petenten erreichen können. Das zeigt meines Erachtens welch wichtige Stellung das Petitionsrecht in Deutschland einnimmt. Es ist gelebte Demokratie, deren Möglichkeiten genutzt werden, um Probleme der Menschen mit staatlichen Stellen, konkrete Missstände und Schwierigkeiten bei der Umsetzung der beschlossenen Gesetze über den Petitionsausschuss unmittelbar an das Parlament heranzutragen. Der Ausschuss ist bestrebt, sich umfassend und zielorientiert für die Anliegen einzusetzen.

Es ist erkennbar, dass die Bundesregierung grundsätzlich bemüht ist, ihr gebotene Mittel und Möglichkeiten wahrzunehmen, um besonders den ihr zur Berücksichtigung oder Erwägung überwiesenen Petitionen nachzukommen. Oftmals bewirkt aber allein schon die Einschaltung des Petitionsausschusses, dass ein eventuell vorhandener Ermessensspielraum zugunsten der Petenten ausgeschöpft wird. Viele Fälle können dadurch bereits im Vorfeld des eigentlichen parlamentarischen Verfahrens positiv abgeschlossen werden können. Bei anderen Fällen sind komplexere Moderationsverfahren und intensive Gespräche aller Beteiligten erforderlich. Der Ausschuss sucht nicht selten frühzeitig mit Regierungsvertretern nach einem gemeinsamen Lösungsweg zur positiven Erledigung der Petitionen.

Zusammenfassend möchte ich daher feststellen, dass das Petitionsrecht in Deutschland sehr effizient ist, und ich auch wie meine Kollegin den Eindruck habe, dass es sich bewährt hat.