Rede von MdB Günter Baumann (CDU) anlässlich der Tagung
der Vorsitzenden und stellv. Vorsitzenden der Petitionsausschüsse des Bundes und
der Länder
mit den Bürgerbeauftragten aus Deutschland und dem deutschsprachigen Raum
Europas
am 3. und 4. April 2006 in Berlin
Thema: Beauftragte der Bundesregierung – Konkurrenz und
Transparenz zwischen parlamentarischer Kontrolle und Selbstkontrolle der
Verwaltung
Meine sehr geehrten Damen und Herren,
im Beschwerdewesen der Bürgerinnen und Bürger in unserem Land gibt es seit
einigen Jahren eine Diskussion über die Einrichtung von Beauftragten auf den
verschiedensten Gebieten durch die Bundesregierung.
Sinnvolle Ergänzung oder Konkurrenz - wir kennen alle die Diskussionen und die
verschiedensten Argumente.
Ich bin dankbar, dass dieses Thema auf die Tagesordnung unserer Tagung gesetzt
wurde und wir die Möglichkeit haben einmal unter Fachleuten dieses Feld des
Beschwerde- und Beauftagtenwesens zu beleuchten.
Zunächst möchte ich die Feststellung treffen, dass Deutschland mit der
Verankerung des Petitionsrechtes im Grundgesetz, Artikel 17, ein hohes Gut
besitzt, das den Bürgerinnen und Bürgern das Recht gibt sich mit einer
Beschwerde an den Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages zu wenden.
Aber gleichzeitig hat der Bürger die Freiheit selbst zu entscheiden, sich mit
einer Bitte oder Beschwerde eben an das Parlament oder eine andere zuständige
Stelle, nämlich einen Beauftragten, eine Behörde oder eine Einrichtung zu
wenden.
Wir kennen auch Fälle, wo sich Bürger gleichzeitig an verschiedene Stellen
gewendet hatten.
Ich möchte gleich zu Beginn meiner Ausführungen eine generelle Feststellung
treffen.
Das Beschwerdewesen über den Petitionsausschuss in Deutschland ist aus meiner
Erfahrung erfolgreich.
Es hat sich bewährt und wird von den Bürgern des Landes angenommen.
Die Zahlen über die Petitionseingänge bestätigen dies:
2002 - 13.832
2003 - 15.534
2004 - 17.999
2005 - 22.144
Die Bürger haben Vertrauen zu einer parlamentarischen Organisation, hinter der
eine entsprechende Verwaltung steht, die gewissenhaft mit hohen Sachkompetenz
Entscheidungsvorschläge für die Abgeordneten vorbereitet.
Dies ist entscheidend für die Effizienz des Petitionswesens.
Eine angemessene Organisation und personelle Ausstattung sind die entscheidenden
Instrumente für die Bearbeitung der Bürgeranliegen.
Im Deutschen Bundestag ist dies ein Apparat von etwa 85 Fachexperten, die hier
tätig sind.
Und bei der direkten Bearbeitung der Petitionen sind mindestens zwei Abgeordnete
einbezogen - von der Regierungskoalition und von der Opposition.
Wir wissen, dass die Erwartungen der Bürger an den Adressaten der Beschwerde
sehr hoch sind. Sie erwarten qualifizierte Antworten auf ihr spezielles Thema
und das sachgerecht auf ihr konkretes Anliegen eingegangen wird.
Oft sind die Bürger bereits an verschiedenen anderen Stellen im Vorfeld
gescheitert.
Der Bürger sieht in einer lediglich allgemeinen Beantwortung seiner Bitten und
Beschwerden, die nicht seine konkrete Problemstellung ausdrücklich
berücksichtigt, in der Regel keine Hilfe.
Im Petitionsausschuss geht es um eine präzise und fallbezogen Bearbeitung eines
Einzelfalls.
Zu dieser Bearbeitung gehört auch die Einholung auf den Einzelfall
zugeschnittenen Stellungnahmen der Bundesministerien oder auch anderer Stellen.
Es ist ausdrücklich Sinn unseres Petitionsrechts, dass die Bürger in ihrem
Bedürfnis einer stärkeren Beteiligung in öffentlichen Angelegenheiten sowie nach
einer bürgerfreundlichen und transparenten öffentlichen Verwaltung unterstützt
werden.
Ich könnte zahlreiche Beispiele nennen, wo gerade durch diese konkret
fachspezifische Bearbeitung dem Bürger geholfen werden konnte.
Ich will mir dies ersparen, denn aus der Arbeit in den Petitionsausschüssen der
Länder kennen sie dies in gleicher Weise.
Die besonderen Rechte des Petitionsausschusses müssen auch als ein sich sehr gut
bewährtes Instrument aufgeführt werden.
Ich denke an
• Ortstermine, wo der direkte Kontakt mit dem Petenten und dem Problem,
bei entsprechender Begleitung durch die Medien möglich ist,
• Anhörung von Regierungsvertretern, wo durch Nachfragen schon manches
Problem erhellt werden konnte,
• Akteneinsicht zu kompletten Vorgängen, wenn manche Behörde in der
Auskunftswilligkeit uns gegenüber etwas zurückhaltend sich verhält, warum auch
immer.
Darüber hinaus ist es für den Petitionsausschuss wichtig, im Rahmen seiner
ständig verbesserten Öffentlichkeitsarbeit bei den Bürgerinnen und Bürgern das
Bewusstsein hinsichtlich der parlamentarischen Kontrolle der Bundesregierung und
deren nachgeordneten Behörden zu stärken und ihnen die weitgehenden Befugnisse
des Petitionsausschusses nahe zu bringen.
Seit einigen Jahren besuchen wird mehrmals im Jahr als Abgeordnete des
Petitionsausschusses und auch Mitarbeiter des Ausschussdienstes mehrere große
überregionale Messen in Deutschland und sind am Stand des Deutschen Bundestages
für die Bürger ansprechbar.
Wenn ich an die beiden letzten Messen denke wo ich mit vor Ort war, in Hannover
und in Erfurt, kann ich nur bestätigen, ein besonders wichtiges Instrument um
bürgernah zu sein und auch Politikverdrossenheit entgegen zu wirken.
Meine sehr verehrten Damen und Herren,
zur rundum positiven Arbeit des Petitionswesens im Deutschen Bundestag kann es
als Ergänzung unter bestimmten Bedingungen und Voraussetzungen ein System von
Beauftragten geben.
Die Anzahl der Beauftragten der Bundesregierung und die Bundesbeauftragten sind
in den letzten Jahren mehrmals verändert wurden.
Hier spielen Schwerpunksetzungen der jeweiligen Regierungen eine entsprechende
Rolle.
Auch heute noch kursieren in der Öffentlichkeit ganz unterschiedliche Angaben zu
deren Zahl:
Das Internet-Portal des Bundes (Bundesverwaltungsamt) weist derzeit 23
Beauftragte der Bundesregierung aus.
In dieser Aufstellung sind auch enthalten:
• die Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung und Forschungsförderung,
• die Bundeskonferenz der Frauenbeauftragten und Gleichstellungsbeauftragten an
Hochschulen,
• die Monopolkommission
• der Wissenschaftsrat
Auf der Homepage des Bundeskanzleramtes gibt es insgesamt 27 Beauftragte
der Bundesregierung und Bundesbeauftragte.
Der "Focus" wiederum will in seiner Ausgabe im März 33 Bundesbeauftragte
entdeckt haben.
Diese unterschiedlichen Angaben tragen natürlich eher zur Verwirrung bei.
Man fragt sich: Wer macht denn nun was?
Kein Wunder, wenn spitze Zungen lieber von einem Beauftragtenunwesen
sprechen.
Die Bundesregierung schreibt auf ihrer Homepage:
"Die Beauftragten der Bundesregierung und die Bundesbeauftragten werden von
den Bundesministern oder von der Bundeskanzlerin ernannt und unterstützen diese
in unabhängiger und beratender Form. Sie sind nicht in die Hierarchie der
Verwaltung eingegliedert.
Nach § 21 der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesministerien (GGO) sind sie
bei allen Vorhaben, die ihre Aufgabe berühren, frühzeitig zu beteiligen."
Im Bundeskanzleramt sind drei Beauftragte angesiedelt:
● die Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und
Integration,
● der Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien
● der Beauftragte der Bundesregierung für die Nachrichtendienste.
Die Anbindung der Migrationsbeauftragten und des Beauftragten für Kultur und
Medien im Bundeskanzleramt sind die Konsequenz daraus, dass die Bundesregierung
die Integration als Folge der Zuwanderung und auch die Kultur als von
grundlegender Bedeutung für das Funktionieren unserer offenen Gesellschaft
halten.
Die Bundesregierung hat hier von ihrem Recht Gebrauch gemacht, Schwerpunkte
ihrer Arbeit zu definieren und festzulegen, in welchen Feldern sie sich von wem
beraten lassen will.
Auch ich habe mich – ehrlich gesagt - anfangs gefragt, ob denn tatsächlich eine
Beauftragte für Migration, Flüchtlinge und Integration und zusätzlich noch ein
Beauftragter für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten im
Bundesministerium des Innern erforderlich sind.
Lassen Sie mich hier auf ein aktuelles Ereignis in Berlin hinweisen:
In der vorigen Woche hat sich die gesamte Lehrerschaft einer Hauptschule mit
einem Brief an die Berliner Schulverwaltung gewandt. Der Brief wurde der Presse
zugespielt und heraus kam folgendes: Die Schule hat einen besonders hohen
Schüleranteil mit Migrationshintergrund.
Schlägereien unter den Schülern, Störungen des Unterrichts durch Pöbeleien und
Wurfgeschosse, Bedrohungen der Lehrer, Schulschwänzen gehören zum Schulalltag.
Die Lehrer haben die Schulverwaltung gebeten, die Schule zu schließen.
Das Beispiel ist nur die Spitze des Eisberges, inzwischen erfahren wir aus der
Presse, dass sich weitere Schulen zum gleichen Thema zu Wort melden.
Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen,
diese Fälle zeigen, wie wichtig eine Integration der Menschen ist, die in unser
Land gekommen sind und hier bleiben möchten.
Dass die Bundesregierung hier einen ganz besonderen Schwerpunkt in ihrer Arbeit
sieht, kann man im Zusammenhang mit den oben geschilderten Ereignissen als
Beispiele nur begrüßen.
Die Integration in ein Leben in unserer offenen Gesellschaft erfordert auch,
dass sich alle an die Regeln halten. Das Zusammenleben wird ansonsten
empfindlich gestört.
Damit das Zusammenleben nicht gestört, sondern verbessert wird, haben die
Migrations- bzw. Integrationsbeauftrage und der Beauftragte für Aussiedlerfragen
und nationale Minderheiten jeweils einen ganz spezifischen Aufgabenbereich.
Weitere Beauftragte mit einem ganz konkreten Arbeitsbereich sind
• die Bundesbeauftragte für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes,
• der Menschenrechtsbeauftragte,
• der Wehrbeauftragte,
• die Behindertenbeauftragte.
Einige Beauftragtenposten werden in Personalunion mit einem politischen Amt
wahrgenommen.
Hier denke ich an den
• Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, der gleichzeitig
Beauftragter der Bundesregierung für die neuen Länder ist.
Andere Beauftragte sind gleichzeitig Behördenchefs, wie
• der Präsident des Bundesrechnungshofes, der gleichzeitig Bundesbeauftragter
für die Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung ist
• oder die Bundesbeauftragte für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes
der ehemaligen DDR.
Die Funktion des Menschenrechtbeauftragten im Auswärtigen Amt war in der
früheren Bundesregierung gegenüber dem Auswärtigen Amt als politikberatend
und koordinierend, die des Beauftragten der Bundesregierung für
Menschenrechtsfragen im Bundesministerium der Justiz als weisungsgebunden
zu charakterisieren.
In beiden Fällen wurde ein besonderes Verhältnis zum Parlament nicht
definiert.
Gegenüber Beschwerde führenden Bürgern existieren in beiden Fällen keinerlei
definierte Befugnisse oder Verpflichtungen.
Die Beauftragten für Auslandsinvestitionen in Deutschland – 3 ausgewiesene und
erfolgreiche Wirtschaftsfachleute - haben keine Ombudsfunktion, sondern die
Aufgabe, für den Standort Deutschland im Ausland zu werben.
Etwas schwieriger zu bewerten ist der Hartz IV-Ombudsrat.
Dessen Aufgabe bestand eigentlich darin, die Arbeitsmarktreform nach dem
Zusammenlegen von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe (bekannt unter der
Schlagwort Hartz IV) entsprechend zu begleiten. Die Arbeit dieses, aus bekannten
Persönlichkeiten bestehenden Gremiums sollte die Grundlage für die Evaluierung
des Gesetzes bilden.
Die Bezeichnung Ombudsrat war deshalb eigentlich irreführend.
Allerdings ist der rationale und vernünftige Ansatz dadurch verlassen worden,
indem dieses Gremium aus eigenem Ermessen Anliegen von Bürgern aufgreifen,
Stellungnahmen von Ministerien einholen und damit Bürgeranliegen bearbeiten
konnte.
Mit dieser Befugnis wurde m.E. bei den Bürgerinnen und Bürgern der Anschein
erweckt, dass dieses Gremium eine gewisse Lösungskompetenz für ihre Anliegen
habe. Das traf faktisch aber nicht zu.
Als Schlussfolgerung sollte hier gelten, dass nicht mehr dem Bürger gegenüber
angekündigt wird, als tatsächlich machbar ist.
Für den Bürger muss glasklar erkennbar sein, bei welcher Stelle er seine Bitten
und Beschwerden vortragen kann. Damit meine ich nicht nur, dass der Bürger ein
offenes Ohr findet oder einen Briefkasten für seine Briefe, sondern dass ihm
auch im konkreten Fall geholfen werden kann.
Alibibeauftragte oder Beauftragte ohne Lösungskompetenz helfen niemand weiter.
Sie wecken nur unerfüllbare Hoffnungen auf Hilfe, produzieren aber zumeist nur
jede Menge Bürokratie. Dabei ist gerade die Bürokratie Ursache vieler
Beschwerden.
Deshalb ist im Hinblick auf die Zuständigkeitsbereiche der Beauftragten
Transparenz erforderlich.
Auch erleichtert das die parlamentarische Kontrolle ganz erheblich.
Wenn sich Bürgerinnen und Bürger mit Beschwerden über Bundeseinrichtungen an uns
wenden haben sie die berechtigte Erwartung, dass sie in einem überschaubaren
Zeitraum eine Antwort auf ihr Anliegen bekommen.
Je mehr Transparenz in der Bundesverwaltung, umso schneller findet sich der
richtige Ansprechpartner und der Bürger bekommt schneller eine Antwort.
Ich möchte meine Überlegungen in drei Punkten zusammenfassen:
Das Petitionswesen im Grundgesetz verankert hat sich bewährt, wird von den
Bürgerinnen und Bürgern in zunehmendem Maße angenommen. Es kann konkret
fachspezifisch, mit einem dafür notwendigen Verwaltungsapparat, das
jeweilige Anliegen effektiv bearbeiten.
Zum Petitionswesen kann es eine sinnvolle Ergänzung durch Beauftragte der
Bundesregierung oder Bundesbeauftragte zu ganz speziellen Themen geben.
Diese Beauftragten müssen aber konkrete Kompetenzen besitzen, ihre Arbeit
muss transparent sein und sie müssen über eine angemesse Ausstattung
verfügen.
Beauftragte ohne Lösungskompetenz mit einer "Nur Alibi – Funktion" nützen keinem, untergraben das Petitionsrecht und versprechen den Bürgerinnen und Bürgern etwas, was nicht eingehalten werden kann.
Lassen sie uns gemeinsam das Petitionswesen für unsere Bürgerinnen und Bürger
weiterentwickeln.
Ich bedanke mich für ihre Aufmerksamkeit und stehe für Anfragen gern zur
Verfügung.