24.02.2016

 

Redebeitrag Günter Baumann, MdB

TOP Zusatzpunkt am Mittwoch, den 24. Februar 2016:

 

Clausnitz und Bautzen gehen uns alle an - Demokratie stärken und dem Hass keine Chance geben
 

 

 

Sehr geehrter Herr Präsident,

sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,

 

der Ruf Sachsens und Deutschlands ist durch Einzelne, die sich außerhalb des Gesetzes bewegen zu Schaden gekommen

Angriffe gegen Asylbewerber, gegen Flüchtlingsheime, gegen Helfer, gegen Ehrenamtliche müssen aufs Schärfste verurteilt werden.

Die Bilder von Beifall klatschenden Menschen vor dem brennenden Asylbewerberheim in Bautzen und gröhlende Menschen, die Asylbewerber einschüchtern und die Belegung eines Heimes durch Blockade in Clausnitz verhindern wollen sind für uns unerträglich. 

 

Dieses Bild von einzelnen Ereignissen in Sachsen ist nicht Sachsen, diese Personen agieren außerhalb unserer demokratischen Gesetze und müssen mit aller Härte unseres Rechtsstaates zur Verantwortung gezogen werden

Die Blockierer von Clausnitz und die Brandstifter von Bautzen sind nicht       „das Volk!“

„Das Volk“ sind rechtsschaffende Bürgerinnen und Bürger im Freistaat Sachsen, die durch ihre Arbeit Sachsen seit der politischen Wende mit aufgebaut haben, sodass wir eine absolut positive Entwicklung genommen haben:

Wir Sachsen sind stolz auf ein weltoffenes Sachsen; auf das Erreichte bei Wirtschaft, Tourismus, der geringen Arbeitslosigkeit und unserer international anerkannten Universitäten und Forschungszentren und auf unsere Kultur.

Die fremdenfeindlichen Vorfälle der letzten Zeit können von keinem Demokraten hingenommen werden.

Wir müssen nicht nur verurteilen, sondern mit aller rechtsstaatlichen Konsequenz alle Vorkommnisse aufarbeiten.

Asylbewerber kommen mit großer Hoffnung nach Deutschland und wollen ein Leben in Sicherheit und Frieden.

Man kann sich als gewählter Abgeordneten aus Sachsen für das Handeln dieser pöbelnden und brandstiftenden Personen bei den betroffenen Asylbewerbern und den angegriffenen Helfern nur entschuldigen.

Keine Entschuldigung kann es jedoch für jegliches gewaltbereites Vorgehen von Bürgern unseres Landes gegen Asylbewerber geben.  

Jedem steht ein Recht auf freie Meinungsäußerung und auch Demonstration zu, aber dies muss friedlich und ohne jede Gewalt und Bedrohung stattfinden.

 

Man kann durchaus über die gegenwärtige Asylpolitik unterschiedlicher Meinung sein. Aber Gewaltandrohungen gegen Kinder und Frauen, die nach einer schweren Flucht nach Sachsen kommen, ist beschämend und in keiner Weise entschuldbar.

Es muss anerkannt werden, dass die gegenwärtige Flüchtlingssituation Kommunen in ganz Deutschland vor große Aufgaben stellt und nicht jede Entscheidung wird von jedem immer mitgetragen.

 

Aber gerade Sachsen hat nicht die größten Probleme.

Die Gesamtzahl der Asylbewerber, die im Jahr 2015 nach Sachsen kamen, machen rund 1,3% der Einwohnerzahl Sachsens aus und der Ausländeranteil im Freistaat Sachsen liegt bei etwa 2 %.

Bei aller berechtigten Kritik an den Vorfällen der letzten Tage müssen wir auch positiv festgestellt, dass es auch in Sachsen eine gute Willkommenskultur, wie in anderen Bundesländern gibt.

An dieser Stelle möchte ich einen herzlichen Dank an alle Ehrenamtlichen von Johanniter, DRK, Malteser, THW und Diakonie sowie den Bürgermeistern und Landräten für ihren oft schon über die persönlichen Grenzen hinweg gehenden Einsatz aussprechen.

Deswegen haben die Menschen im Freistaat Sachsen ein Recht auf differenzierte Bewertung. Es darf keine Pauschalverurteilung geben. Die Bewohner Sachsens sind nicht rechtsradikal.

Auf der einen Seite haben wir eine lautstarke Minderheit, die mit Geschrei, Pöbeleien, Angriffen und Brandstiftungen von sich reden machen, aber auf der anderen Seite haben wir die vielen Ehrenamtlichen, die sich im Stillen für die Schutzbedürftige aufopfern.

Diese stille Mehrheit ist von den Geschehnissen genauso entsetzt wie der Rest Deutschlands.

 

Wir müssen bedingungslos aufklären, ohne Vorverurteilung.

Auch keine Vorverurteilung des Polizisten, der zum Schutz vor der gröhlende Menge einen Jugendlichen in Clausnitz aus dem Bus ins Heim brachte.   Aufgrund eines wenige Sekunden langem Handy Videos vorverurteilen selbsternannte Experten ohne den Gesamtverlauf des Abends zu kennen.

Auch der Polizist hat das Recht auf Schutz seiner Person und eine ordentliche Anhörung in den entsprechenden Gremien zum Ereignisverlauf.

 

Ich möchte an dieser Stelle einen Dank an die Polizeibeamten des Bundes und der Länder richten, die ständig mit neuen und größeren Aufgaben konfrontiert werden, von Demonstrationsbegleitung über den Schutz von Fußballspielen vor Hooligans und Chaoten bis zur sicheren Begleitung von Asylbewerbern in ihre Aufnahmeunterkünfte.

 

Mit Recht stellen nicht nur Journalisten die Frage: Warum gibt es in Sachsen im Vergleich zu allen Bundesländern und im engeren Vergleich der neuen Bundesländer, die meisten Übergriffe.

Eine endgültige Antwort auf das Warum kann ich heute nicht abschließend geben.

Ursachenforschung ist notwendig. Wir müssen einiges auf den Prüfstand stellen.

Sind die Programme zur Demokratieförderung und Extremismus-Beratung,- Intervention und –Prävention, das Aussteigerprogramm oder auch das Landesprogramm für ein weltoffenes Sachsen für Demokratie und Toleranz effektiv?  

·        Prävention- Landespräventionsrat (dem SMI unterstellt)

·        Das Operative Abwehrzentrum in Dresden als Zentralstelle für die Ermittlungen  extremistisch motivierter Straftaten

 

Bei Pisa belegt Sachsen regelmäßig vorderste Plätze, aber ist die Politische Bildung die an Schulen vermittelt wird ausreichend?

 

Für mich steht auch fest, dass die sogenannte Polizeireform in Sachsen mit Abbau von 20 % der Polizeikräfte nicht der richtige Weg war. Inzwischen ist im letzten Jahr eine Korrektur eingeleitet.  

Wenn wir über Ursachen sprechen, wäre für mich auch entscheidend, dass unsere Justiz schneller zu Entscheidungen unter Ausschöpfung der bestehenden Gesetzlichkeiten kommt.

 

Ich glaube auch, dass es entscheidend ist vor jeder Belegung einer Asylunterkunft die Einwohner der betreffenden Gemeinde intensiv zu informieren. Man muss den Menschen bestehende Ängste nehmen.

Ich habe in Sachsen festgestellt, dass in den Kommunen, wo frühzeitig und offensiv in Einwohnerversammlungen und bei Bürgerdialogen die Aufnahme von Asylbewerbern erläutert wurde, es entscheidend weniger Vorfälle gab.

 

Zusammengefasst, Sachsen ist nicht rechtsradikal und ausländerfeindlich, es gibt ausländerfeindliche Aktionen, die wir aufarbeiten und die Täter bestrafen müssen ohne jede Vorverurteilung.

Wir müssen an der Ursachenforschung arbeiten und  vieles auf den Prüfstand stellen.

In Sachsen leben rechtschaffene Bürger die es nicht verdient haben unter Generalverdacht gestellt zu werden.    

Zum Schluss möchte ich auch ganz klar den Anschlag vom Montag auf die sächsische Landesvertretung hier in Berlin verurteilen. - Pflastersteine; eingeworfene Scheiben

Gewalt war noch nie eine Lösung.

 

Vielen Dank