Günter Baumann, MdB

 

Plenarrede zu Top 17 am Donnerstag, den 26. April 2007:
Gesetzentwurf der Bundesregierung: Entwurf eines Zweiten Gesetzes
zur Änderung des Ersten Gesetzes zur Änderung des Bundesgrenzschutzgesetzes
(Drs.: 16/4665)

 


 

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,
 

Deutschland liegt im Herzen von Europa. Der Großteil aller Transportwege von Nord nach Süd und von West nach Ost sowie auch entgegengesetzt gehen durch unser Land, folglich ist Deutschland ein typisches Transitland- mit neun Nachbarstaaten, von denen wir mit sechs Staaten den Schengenraum teilen. In absehbarer Zeit werden durch die EU-Osterweiterung auch Tschechien, Polen sowie auch die Schweiz den Schengenstatus erreichen und somit werden auch hier die stationären Grenzkontrollen wegfallen. Infolgedessen werden wir zu allen unserer neun Nachbarstaaten offene Grenzen unterhalten. Um das Interesse der Inneren Sicherheit in Deutschland gleichsam auch in Europa zu wahren, braucht die Bundespolizei weiterhin die Befugnis lageabhängige Kontrollen auf Einrichtungen der Eisenbahnen und Verkehrsflughäfen durchführen zu können.

In den vergangenen acht Jahren hat sich diese flexible Befugnis als sehr effektiv erwiesen.
Nicht nur, dass durch diese Kontrollen 60% aller festgestellten unerlaubten Einreisen an den derzeitigen Schengen- Binnengrenzen ohne den nicht mehr stattfindenden stationären Grenzkontrollen festgestellt wurden. Dies belegen auch die absoluten Zahlen der Kontrollen, die für die Bundespolizei erfolgreich im Zeitraum von 1999 bis November 2006 in Zügen, auf Bahnhöfen und Verkehrsflughäfen durchgeführt wurden:

Insgesamt erfolgten über 2.5 Millionen (genaue Zahl: 2.527.113) Kontrollen in den angesprochenen Bereichen. Dabei kam es zu über 280.000 (genaue Zahl: 283.761) polizeilich relevanten Feststellungen, bei denen es sich vornehmlich um Personen- und Sachfahndungserfolge handelte. Hierbei wurden knapp 9.000 unerlaubte Einreisen und fast 18.000 Fälle unerlaubter Aufenthalt festgestellt. Diese Fakten zeigen auf, dass bei jeder neunten lageabhängigen Kontrolle ein Fahndungserfolg erzielt wurde.

Sondern auch wichtige und bedeutende Informationen zu den unerlaubten Einreiseverhalten von ausländischen Staatsangehörigen erbrachten, wie zum Beispiel über Reisewege, Schleusungskriminalität und deren Strukturen sowie deren Abholer und Hintermänner, über Urkundenfälschung, Asylbetrug und Reisemittel. Diese Erfahrungswerte wurden zur Grundlage gezielter Präventivmaßnahmen, wie Schwerpunktkontrollen auf Bahnhöfen, in Zügen und Flughäfen mit grenzüberschreitenden Anbindungen.

Schon diese Ausführungen beweisen, dass diese 1998 erstmalig erteilte Befugnis durchaus sinnvoll ist und zu einem unverzichtbaren Instrument der Bundespolizei nicht nur in den Grenzregionen geworden ist. Nun im Jahr 2007 und im Hintergrund über den Evaluationsbericht wissend, kann man dem Instrument im Kampf gegen Schleusungskriminalität, illegale Einwanderung, Organisierte Kriminalität ein gutes Zeugnis ausstellen. Es hat sich bewährt in der Verhinderung und Unterbindung der unerlaubten Einreise, Menschenhandel und auch in der Terrorismusbekämpfung. Hervorzuheben in diesem Zusammenhang ist die hervorragende Arbeit unserer Bundespolizei, die jene erweiterten Kontrollmöglichkeiten nicht nur erfolgreich- mit hohen Trefferquoten umgesetzt haben, sondern auch in einer Art und Weise, die unter unserer Bevölkerung auf breite Zustimmung und Akzeptanz gestoßen ist und auch weiterhin stößt. Für diese erfolgreiche Arbeit möchte ich im Namen der CDU/CSU-Bundestagsfraktion allen Beamtinnen und Beamten der Bundespolizei recht herzlich danken.
Denn auch weiterblickend, dient diese ausgezeichnete Aufgabenbewältigung der Bundespolizei auch dem Sicherheitsgefühl der Anwohner in den Grenzregionen, der Bürgerinnen und Bürger, die sich deshalb für einen Urlaub in den Grenzregionen entscheiden und nicht zuletzt ist das Sicherheitsgefühl entscheidend für ansiedelndes Gewerbe.

Anhand dieser Argumente ist völlig eindeutig zu erkennen, dass die Befugnis der Bundespolizei zu lageabhängigen Kontrollen weiter bestehen muss. Allein von Seiten der Opposition wird die Frage gestellt: Warum die Befugnis nun gänzlich entfristet werden sollte?
Die Sinnhaftigkeit und Effektivität dieser bundespolizeilichen Kompetenz ist nicht zu leugnen. Jedoch wird diese Kompetenz zunehmend wichtig nach dem Schengenbeitritt von Tschechien und Polen. Denn dann sind alle unsere Grenzen zu unseren europäischen Nachbarstaaten Schengen-Binnengrenzen, bei denen es zum Wegfall des ersten Filtersystems- namentlich der stationären Grenzkontrollen- gekommen ist. Somit kommt den lageabhängigen Kontrollen der verkehrsreichen Punkte, wie Bahnhöfe und Verkehrsflughäfen, und den Grenzen nachgelagerten stichprobenartigen Kontrollen unumgänglich eine immense Bedeutung zu. Diese sind zum Schutz Deutschlands vor drohendem Terrorismus, Organisierter Kriminalität und illegaler Einreise unverzichtbar. Dies bestätigen auch nahezu alle europäischen Länder. Sie verfügen, bis auf die Inselstaaten Großbritannien und Irland, über ähnliche und teilweise weiterführende Kontrollmöglichkeiten.
Denn auch durch die zunehmende schnelle Mobilität in und aus den neuen EU-Mitgliedsstaaten entwickelt sich eine ganz neue Dimension der Kriminalität, der im Hinblick auf die offenen Binnengrenzen unter anderen auch mit Hilfe dieser Kontrollbefugnis begegnet werden kann.
Außerdem wird die Gesetzesänderung notwendig, da sich auch die Lage in Deutschland und Europa verändert hat. Die terroristische Bedrohung ist auch in Europa durch beispielsweise die Anschläge in London und Madrid und die versuchten Attentate mit Kofferbomben in Koblenz und Dortmund ganz real geworden. Auch zukünftig wird die Bedrohung durch Organisierte Kriminalität, Terror und Schleusungskriminalität an den neuen EU-Außengrenzen nicht abnehmen. Unser Schengenraum, der in vielen Jahren durch viel gegenseitig erbrachtes Vertrauen zwischen den Staaten aufgebaut wurde, soll durch diese vornehmlich terroristischen Bedrohungen nicht zum leichten Angriffziel werden. Genau deshalb brauchen wir in Deutschland eine unbefristete Kontrollbefugnis um auch die Sicherheit für ganz Europa gewährleisten zu können.

Diese Gesetzesänderung sollte uns generell zum nachdenken über die zukünftige Rolle der Bundespolizei anregen. Man muss die Aufgabenfelder neu definieren um sie an die aktuelle und vor allem zukünftige Sicherheitslage anzupassen. Dabei könnte ich mir vorstellen, dass es zum Beispiel für eine wirkungsvolle Bekämpfung der illegalen Migration sinnvoll sein könnte die Kontrollbefugnis, die wir heute hier in der Plenardebatte diskutieren, eine räumliche Ausdehnung auf Hauptverkehrswege und Bundesautobahnen in Betracht zu ziehen ist. Des Weiteren wäre es von Nöten, die für die Aufgabenwahrnehmung des Grenzschutzes festgelegten 30km in die Tiefe des Grenzraums auf mindestens 50 wenn nicht sogar 70 km auszudehnen. Dies würde nur der erhöhten und schnelleren Mobilität aller gerecht werden.
Somit hoffe ich, dass die Diskussion der nächsten Tage zur Reform der Bundespolizei in diese Richtung erfolgt.


Vielen Dank