Günter Baumann, MdB

 

Redebeitrag von Günter Baumann zum Tagesordnungspunkt 14 zur Großen Anfrage:
Förderung der demokratischen Teilhabe und Stärkung des Petitionsrechts
(Drs. 16/2181)

 


 

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren,
 

die ersten beiden Sätze Ihrer Großen Anfrage der Fraktion Die Linke sind richtig: "Demokratie lebt von Engagement und der tatsächlichen Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger. Nur wo sich die Bürgerinnen und Bürger einbringen, wo sie mitreden und mitentscheiden können, kann eine Demokratie auf Dauer funktionieren."

Leider sind das auch die einzigen Sätze in dieser Großen Anfrage  mit ihren 108 Einzelfragen, die man mit unterschreiben könnte.

 

Schon im Vorwort werden Versuche unternommen das Grundgesetz neu zu deuten und daraus gewagte Thesen abzuleiten:

 

Danach ruhe die Demokratie auf mehreren Säulen, eine davon sei das Recht der Bürgerinnen und Bürger, sich aktiv in die Gesetzgebung, in Gesetzesänderungen und Rechtssprechung einzuschalten und selbst mit zu gestalten. Bereits hier frage ich mich: Wissen Sie das wirklich nicht besser oder beginnt hier schon Ihre nicht nachvollziehbare Deutung unserer Demokratie?

 

Noch kurioser ist Ihre daraus folgende Schlussfolgerung:

für Sie gebe es eine Art "Zuschauerdemokratie", weil nach Wahlen regelmäßig die Vertreterinnen von Parteien die Souveränität übernehmen würden. Scheinbar haben Sie nach 17 Jahren Wiedervereinigung immer noch nicht verstanden, wie eine Demokratie funktioniert.

 

Weiterhin fordern Sie, dass nicht nur die im Deutschen Bundestag vertretenen- und durch demokratische Wahlen legitimierten Vertreter des deutschen Volkes- Gesetze einbringen  können sollen, sondern auch jeder Bürger bzw. sogar Bürgerinitiativen.

 

Beim Lesen Ihrer Großen Anfrage merkt man recht schnell, auf was es Ihnen eigentlich ankommt:

 

Sie wollen das repräsentative demokratische System über das in Deutschland bewährte System des Petitionsrechtes verändern.

 

 

Aber nun zu den einzelnen Fragen:

Auch hier kommt sehr deutlich zum  Ausdruck, dass Sie unsere Demokratie abschaffen wollen!!!

So fragen Sie die Bundesregierung beispielsweise:

1.       Was sie von parlamentarischen Initiativen aus vergangenen Wahlperioden hält?

2.       Was sie von den Grundsätzen des Petitionsausschusses hält?

3.       Was sie vom Selbstbefassungsrecht des Petitionsausschusses hält?

4.       Was sie von den Beschlüssen des Petitionsausschusses hält, die der Bundesregierung zur Erwägung oder Berücksichtigung überwiesen wurden?

5.       Und die Bundesregierung soll sich darüber hinaus auch noch äußern, was sie von den öffentlichen Anhörungen des Petitionsausschusses hält?

 

Im Klartext - auch zum Verständnis der Linksfraktion-:

Das Parlament kontrolliert die Regierung- und nicht umgekehrt!

 

Genau zu diesem Zweck hat das Grundgesetz dem Parlament umfassende Rechte verliehen. Das Volk selbst wählt das Parlament alle vier Jahre neu und hat damit auch direkten Einfluss auf Veränderungen. Die im Parlament vertretenen Abgeordneten haben die Pflicht, ihr Mandat aktiv auszuüben.

Ich fühle mich jedenfalls nicht als Teil eines von- in dieser Anfrage als "Zuschauerdemokratie" abqualifizierten Systems.

 

Der Petitionsausschuss ist keineswegs nur der Kummerkasten der Nation, wie immer wieder behauptet wird. Vielmehr gibt er den Bürgerinnen und Bürgern  bereits die Möglichkeit, sich aktiv in die Politik einzuschalten. Auf der anderen Seite erfahren Parlament und Bundesregierung durch die Eingaben und Beschwerden sozusagen durch "Volkes Stimme" über dringend zu lösende Probleme bzw. abzustellende konkrete Missstände, aber auch über Schwierigkeiten des Einzelnen bei der Umsetzung von Gesetzen.

 

Heute wenden sich jedes Jahr ca. 500.000 Bürgerinnen und Bürger mit Bitten, Wünschen und Anregungen an den Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages. Dies führt zu jährlich etwa 20.000 Petitionsvorgängen. Im  Jahr 2006 wurden über 20.299 Petitionen im Ausschuss entschieden  und dem Plenum des Deutschen Bundestages zur Abstimmung zugeleitet.

 

Nicht zuletzt sind aufgrund von Eingaben   Vorschriften und Gesetze durch den Deutschen Bundestag geändert worden.

266 Materialüberweisungen im Jahre 2005 und 447 in 2006 sowie 163 bzw. 310 Kenntnisgaben an die Fraktionen in diesen beiden Jahren machen deutlich, wie häufig der Ausschuss Anlass hatte, gesetzliche Regelungen zu beanstanden. Die Bitten zur Gesetzgebung machten im vergangenen Jahr mit über 6.400 Petitionen ca. 40 % der zu behandelnden Petitionen aus.

 

In einer nicht geringen Zahl von Fällen führen die Eingaben an den Ausschuss auch dazu, dass wir Abgeordnete Gesetzeslücken und mangelnde Praxistauglichkeit bestimmter, von uns selbst beschlossener, Regelungen nicht nur erkennen, sondern auch sogleich deren Reform anschieben können. Daran zeigt sich: Das Petitionsrecht funktioniert, hat sich bewährt und sichert die Einflussnahme von Bürgerinnen und Bürgern über das Mittel von Bitten und Beschwerden.

 

Die Aussage in ihrem Antrag, dass das Petitionsrecht in Deutschland seit 1952 unverändert sei, ist einfach falsch. Auch dass in der 15. WP eine Reform des Petitionsrechtes angemahnt worden ist, kann ich nicht nachvollziehen. Hier haben Sie von früheren Anträgen Ihrer Fraktion Unwahrheiten erneut abgeschrieben.

 

So wurde gerade in der vergangen Wahlperiode das Petitionsrecht modernisiert. Es wurden E-mail-Petitionen eingeführt und nach Vorbild des schottischen Parlaments ein Modellversuch mit öffentlichen Petitionen gestartet. Bereits in dieser Wahlperiode gab es drei öffentlich Sitzungen des Petitionsausschusses.

Die Verfahrensgrundsätze des Petitionsausschusses wurden aktualisiert und eine spezielle Richtlinie für die Behandlung öffentlicher Petitionen erarbeitet.

Und außerdem sind Mitglieder des Petitionsausschusses in den letzten Jahren verstärkt bei öffentlichen Veranstaltungen für die Bürgerinnen und Bürger in Deutschland direkt ansprechbar gewesen. Ich denke hier zum Beispiel an die sehr gute Wahrnehmung unserer Arbeit bei mehreren großen Messen in Deutschland und auch an die rege Teilnahme bei den Tagen der Ein- und Ausblicke im Deutschen Bundestag. Die Bürgerinnen und Bürger akzeptieren unsere Arbeit.

 

Jedes einzelne Anliegen der Bürgerinnen und Bürger liegt uns am Herzen, egal ob es die Eingabe eines Einzelnen, eine Massenpetition oder sogar öffentlich Petition ist.

 

Es sind wieder alte Hüte, wenn die Linke in der Großen Anfrage die Bundesregierung befragt, was diese vom Selbstbefassungsrecht des Petitionsausschusses, einem neuen Petitionsgesetz, dem Aussetzen des Vollzugs von Verwaltungsentscheidungen bei Petitionen hält, sowie von dem informationellen Zugriff auf privatisierte Betriebe der früheren

öffentlich-rechtlichen Bereiche denkt.

Dass mit diesen Vorschlägen das Petitionsrecht umfunktioniert werden soll, um zu einer anderen Staatsform zu kommen, wird im Vorwort zur Großen Anfrage ja auch zugegeben.  

Diese Vorschläge wurden in der 14. Wahlperiode im Plenum des Deutschen Bundestages eingehend debattiert und schließlich abgelehnt. Auch heute sehe ich dafür keine Mehrheit.

 

Der Petitionsausschuss ist gerade kein Fachausschuss und soll keinen zweiten Weg für Gesetzesinitiativen eröffnen. Er ist auch kein zusätzliches Kontrollorgan, mit dem der Einzelne neben dem Parlament und den gewählten Abgeordneten des Petitionsausschusses die Bundesregierung und die Bundesverwaltung kontrollieren kann.

 

Der Petitionsausschuss hat die ureigne Aufgabe, sich den Sorgen und Nöten der Menschen in konkreten Einzelfällen zu widmen, und da leistet er eine hervorragende Arbeit.

 

Schließlich und endlich ist die Linke zu fragen, ob die Bundesregierung uns Parlamentariern etwa Noten erteilen soll?

 

Von einer Fraktion, die den Vorsitz im Petitionsausschuss hat, darf man wohl die Kenntnis dessen erwarten, dass die Bundesregierung nicht zu bewerten hat, ob sie die Regelungen des Petitionsausschusses für angemessen, richtig oder für überarbeitungsbedürftig hält.

 

Eine Instrumentalisierung des Petitionsrechts, um eine andere staatliche Ordnung zu erreichen, lehnen wir ab! Das System der repräsentativen Demokratie hat sich in unserem Lande bewährt. Es bedarf keiner Veränderungen.

                                                                              

Vielen Dank