07.07.2011

 

Erklärung zur Debatte zum Präimplantationsdiagnostikgesetz (PID):
 


 

 

Präimplantationsdiagnostik - meine Entscheidung im Deutschen Bundestag


Am Donnerstag, den 7. Juli 2011, fand im Rahmen einer dreistündigen Debatte die Abschlusslesung zum Präimplantationsdiagnostikgesetz (PID) statt. PID kann seit Ende der achtziger Jahre als Verfahren zur Diagnostik bestimmter Erbkrankheiten nur bei einer künstlichen Befruchtung im Reagenzglas zur Anwendung kommen. Hierbei wird in Schritt eins eine Eizelle befruchtet und nach etwa 3 Tagen, wenn sich 8 Zellen gebildet haben, kann man ein bis zwei Zellen entnehmen und in einem aufwändigen Verfahren auf ihre Erbanlagen testen bevor die Einpflanzung in die Gebärmutter erfolgt.

Im Embryonenschutzgesetz von 1990 wurde die Präimplantationsdiagnostik nicht ausdrücklich geregelt, so galt sie allgemeinhin als strafbar. Jedoch entschied der Bundesgerichtshof im Juli 2010, dass die PID zur Entdeckung schwerer genetischer Schäden bei künstlicher Befruchtung nicht strafbar ist, wenn ein Partner genetische Belastungen aufweist. Damit Rechtssicherheit erreicht werden kann, liegt es nun beim Gesetzgeber (Deutscher Bundestag) eine Entscheidung zum Einsatz von PID zu treffen.

Die bestehenden drei fraktionsübergreifenden Gesetzentwürfe reichen von einem absoluten Verbot der PID bis hin zu einer begrenzten Zulassung in eng abgesteckten Fällen.

1. Entwurf eines Gesetzes zum Verbot der Präimplantationsdiagnostik:
Hierzu soll im Gesetz über die genetischen Untersuchungen bei Menschen (GenDG) ein Verbot der Durchführung verankert werden. Die Durchführung der PID wird unter Strafe gestellt.

2. Entwurf eines Gesetzes zur begrenzten Zulassung der Präimplantationsdiagnostik:
Verankert ist auch hier ein grundsätzliches Verbot der PID. Die Rechtswidrigkeit entfällt nur, wenn kumulativ folgende Voraussetzungen vorliegen: schwerwiegende, nicht behandelbare Erkrankung des Embryos durch genetischen oder chromosomalen Defekt beruhend auf einer genetischen Disposition der Eltern, die Erkrankung führt mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einer Fehl- bzw. Totgeburt. Eine Ethikkommission muss in jedem Einzelfall entscheiden und die Eltern müssen zu einer medizinischen und psychologischen Beratung. Die Durchführung der PID darf nur in lizenzierten Zentren stattfinden.

3. Entwurf eines Gesetzes zur Regelung der Präimplantationsdiagnostik:
Hierbei wird das Embryonenschutzgesetz um eine Regelung ergänzt, die die Voraussetzung für PID festlegt. Bei hoher Wahrscheinlichkeit für eine schwerwiegende Erkrankung aufgrund einer genetischen Disposition einer oder beider Elternteile oder bei einer hohen Wahrscheinlichkeit einer Fehl- oder Totgeburt sollen Ausnahmen zulässig sein. Eine Ethikkommission muss im Einzelfall über die Zulassung entscheiden. Für die Eltern besteht die Pflicht, an einer medizinisch-psychologischen Beratung teilzunehmen und die Durchführung muss in lizenzierten Zentren stattfinden.


Gewissensentscheidung: Beweggründe für MdB Günter Baumann (CDU):

Der Staat trägt eine besondere Verantwortung für den Schutz des geborenen und ungeborenen Lebens. Diese Verantwortung schließt den Schutz von Frauen vor schweren körperlichen und seelischen Belastungen im Hinblick auf die Schwangerschaft sowie die Vermeidung einer Spätabtreibung mit ein.
Viele Paare mit einer genetischen Vorbelastung befinden sich in einem Konflikt. Sie haben den Wunsch, einem Kind das Leben zu schenken, wissen aber um das Risiko einer Schwangerschaft und die möglichen Lebensrisiken für ihr Kind, dem eventuell eine schwere Krankheit mitgegeben wird. Es sind vor allem solche Paare, die bereits ein schwer krankes, vielleicht schon verstorbenes Kind haben oder die nach einer Pränataldiagnostik, d.h. die Untersuchung auf Erbkrankheiten, Stoffwechselstörungen und Fehlbildungen des Fötus in der Gebärmutter, und einer ärztlichen Beratung eine Abtreibung haben vornehmen lassen.

Seit gut zwei Jahrzehnten gibt es mit der PID die medizinische Möglichkeit, schwere Erbkrankheiten und Chromosomenanomalien an künstlich erzeugten Embryonen noch vor deren Implantation zu erkennen. Dadurch können bereits vor Einleitung der Schwangerschaft Fehl- und Totgeburten und die Weitergabe von besonders schweren Erkrankungen an das zukünftige Kind verhindert werden. In unseren europäischen Mitgliedsstaaten und Nachbarländern wie Belgien, Dänemark, Frankreich, Großbritannien, Griechenland, den Niederlanden, Norwegen, Schweden und Spanien ist die PID bereits seit mehreren Jahren erlaubt. Studien und Erfahrungsberichte aus diesen Ländern zeigen, dass Ärzte und Eltern sehr verantwortungsvoll mit dieser Möglichkeit der Frühdiagnose umgehen. Außerdem gebe ich zu bedenken, dass bei einem generellen Verbot in Deutschland die Paare, die Anlagen für Erbkrankheiten in sich tragen und vielleicht auch schon mehrere Fehlgeburten erlebt haben, in eines unserer Nachbarländer für die künstliche Befruchtung und für eine Präimplantationsdiagnose gehen werden.

Ferner könnte PID nach Einschätzung von Ärzten, die künstliche Befruchtungen durchführen, für höchstens 200 Paare im Jahr in Deutschland in Frage kommen.

Ein Berliner Arzt der im Jahr 2005 und 2006 bei insgesamt 3 Paaren PID angewandt hatte und nur die Embryonen einpflanzte, die keinen Erbdefekt aufwiesen, hatte sich selbst angezeigt, um Rechtsicherheit zu schaffen. Er wurde mit Urteil des Landgerichts Berlin vom Vorwurf der Verletzung des Embryonengesetzes freigesprochen. Dieses Urteil wurde vom 5. Senat des Bundesgerichtshofes in Leipzig bestätigt. Mit dem Urteil des Bundesgerichtshofes 2010 steht fest, dass zur Entdeckung schwerer genetischer Schäden des künstlich gezeugten Embryos nach geltendem Recht unter bestimmten Voraussetzungen straffrei ist. Dabei hat der BGH darauf hingewiesen, dass es widersprüchlich wäre, einerseits die belastenden Schwangerschaftsabbrüche nach § 218a Abs. 2 StGB straffrei zu lassen und andererseits die PID, die auf einem weitaus weniger belastenden Weg für die Frau sowie die Familie dasselbe Ziel verfolgt, bei Strafe zu untersagen.

Ich habe für den Gesetzesentwurf meines Kollegen Peter Hinze (CDU) gestimmt, der eine PID in eng abgesteckten Kriterien erlaubt. Deshalb möchte ich auch mit einem Satz meines Bundestagskollegen enden: „… Jesus zeigt, dass die Hilfe für einen Menschen Vorrang vor jedem religiösen Gebot hat. Gott hat uns die Gabe gegeben, mit der Medizin Menschen zu helfen. Und bei der PID geht es um Hilfe für Menschen in einer schweren Notlage.“

Der Deutsche Bundestag stimmte mit absoluter Mehrheit bereits im 1. Wahlgang für diesen Gesetzentwurf.




Günter Baumann, MdB