30.03.2007

 

 

Hinter den Kulissen der Macht
Von Petitionen, Plenarsitzungen und Praktikantenprogramm - Einblicke in die Bundespolitik von Claudia Wagner aus Elterlein


"Du machst ein Praktikum im Bundestag? Toll, dann kannst du doch gleich mitregieren!" So die eher scherzhaften Reaktionen von Freunden und Bekannten auf meine Ankündigung, ein vierwöchiges Praktikum bei unserem Abgeordneten Herrn Günter Baumann (CDU) zu absolvieren. Tatsächlich ins Regierungsgeschehen einzugreifen ist natürlich unmöglich; dennoch habe ich sehr interessante Einblicke in den politischen Alltag bekommen und wertvolle Erfahrungen mitnehmen können.

Vom 5. bis zum 30. März hatte ich die Möglichkeit, als Praktikantin Günter Baumann und seine Mitarbeiterinnen zu begleiten. Dabei konnte ich mit einigen Irrtümern aufräumen. Nein, die 614 Abgeordneten befinden sich nicht permanent im Reichstag, sondern haben ihre Büros u.a. im Paul-Löbe-Haus. Von Touristen und Kameras oft sträflich vernachlässigt, erstreckt sich dieser riesige moderne, fast gläserne Gebäudekomplex hinter dem Reichstag. Dort wird die eigentliche politische Arbeit geleistet. Von Montag bis Mittwoch treffen sich die Abgeordneten in Arbeitsgruppen und Ausschüssen. Mit Herrn Baumann, der Mitglied im Innenausschuss und als Vorsitzender der Arbeitsgruppe Petitionen tätig ist, konnte ich verschiedene Veranstaltungen besuchen - und gleich einen zweiten Irrtum beheben: Nein, die Abgeordneten sind nicht abgehoben und nur an ihrem eigenen Vorteil interessiert. Vor allem in der Arbeitsgruppe Petitionen wurde immer wieder deutlich, wie sehr sich die Parlamentarier für die Anliegen der Petenten einsetzen. Jeder Bürger, der sich ungerecht behandelt fühlt, kann sich mit seinen Beschwerden und Nöten an den Petitionsausschuss wenden. Dort wird jede Eingabe beraten, diskutiert und juristisch durchbuchstabiert, es werden Stellungnahmen eingeholt und nicht selten Vor-Ort-Termine wahrgenommen. Obwohl nicht allen Bürgern weitergeholfen werden kann, sind sich die Abgeordneten des in sie gesetzten Vertrauens sehr wohl bewusst und nehmen keines der Anliegen auf die leichte Schulter. Besonders erstaunt hat mich, wie viele Instanzen bei diesem Ringen um Lösungen manchmal bemüht werden müssen.

Die donnerstags und freitags stattfindenden Plenarsitzungen, die die meisten Bürger als eigentliche Arbeit der Bundestagsabgeordneten empfinden mögen, sind also nur der sichtbare Abschluss langer Vorbereitungen. Nicht jeder Parlamentarier wohnt den Diskussionen von 9 Uhr bis in den späten Abend bei. Das hat nichts mit Schwänzen oder Desinteresse zu tun. Im Gegenteil, die Abgeordneten haben sich schon in den Arbeitsgruppen intensiv mit dem Thema beschäftigt und sich eine eigene Meinung gebildet, kennen also bereits die vorgebrachten Argumente. Bis in die Nacht hinein sind sie dann unterwegs, zu Tagungen und Sitzungen, Empfängen und parlamentarischen Abenden. Während der sitzungsfreien Wochen warten im Wahlkreis Termine mit Bürgern, Vereinen, Vertretern von Wirtschaft und Kommunalpolitik. Es gilt alle Aspekte des öffentlichen Lebens im Blickfeld zu haben. So findet man Herrn Baumann bei Aktionstagen von Schulen ebenso wieder wie zu Sitzungen von CDU-Ortsgruppen. Gerade da gilt es, die in Berlin "gemachte" Politik zu erläutern, den Menschen hier bei uns im Erzgebirge nahe zu bringen und dabei auch sehr gut zuzuhören.
 
Es hat mir sehr viel Freude gemacht, einige der Menschen kennen zu lernen, die hinter Gesetzestexten und Verordnungen stehen. Es war spannend, einmal tatsächlich dabei zu sein, wenn Entscheidungen getroffen werden. Meldungen in Nachrichten und Zeitungen betrachte ich ganz anders, wenn ich den Diskussionen zugehört habe. Außerdem war es durch das Praktikantenprogramm der CDU/CSU-Fraktion möglich, zentrale Institutionen Berlins aufzusuchen und Gespräche u. a. mit dem Fraktionsvorsitzenden Volker Kauder und Herrn Innenminister Schäuble zu führen. Meinem sonst eher theoretischen Studium der Staatswissenschaften stehen nun auch einige praxispolitische Erfahrungen gegenüber.


Claudia Wagner, Elterlein