An den
Präsidenten des Deutschen Bundestages
Herrn Dr. Norbert Lammert, MdB
 


 

Erklärung zur Abstimmung gem. § 31 Abs. 1
der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages
 

Zweite Beratung und Schlussabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs
eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 25. April 2005 über den Beitritt
der Republik Bulgarien und Rumäniens zur Europäischen Union
> Drucksache 16/2293 <

 
 

Ich stimme dem Gesetz und damit dem Beitritt der Republik Bulgarien und Rumäniens zur Europäischen Union zu.
Zusätzlich möchte ich aber folgende Erklärung abgeben:

 

Der letzte Fortschrittsbericht der Europäischen Kommission, der am 26. September 2006 veröffentlicht wurde, bescheinigte beiden Ländern große Fortschritte auf ihrem Weg in die EU. Allerdings bestehen lt. Bericht auch noch immer erhebliche Defizite insbesondere in den Bereichen innere Sicherheit, Justiz, Landwirtschaft, Lebensmittelsicherheit und bei der Korruptionsbekämpfung. Daher wird eine strenge Überwachung der Beitrittsländer vorgeschlagen. Gegenstand der Überwachungen sollen vor allem die Reformen nach dem Beitritt beider Länder sein.

 

Dass die EU-Kommission dennoch empfohlen hat, Bulgarien und Rumänien im nächsten Jahr in die EU aufzunehmen, war absehbar und ist vor allem das Ergebnis schlecht verhandelter Verträge der rot-grünen Vorgängerregierung und der vormaligen EU-Kommission unter Romano Prodi sowie Erweiterungskommissar Günter Verheugen (SPD).
Die Europäische Union hat Bulgarien und Rumänien bereits kurz nach dem Fall des Eisernen Vorhangs eine Beitrittsperspektive eröffnet. Ich teile die Überzeugung, dass beide Länder den Weg in die Europäische Union finden müssen. Die Verhandlungen hierüber haben zeitgleich mit den zehn mittel- und osteuropäischen Staaten begonnen, die schon 2004 der EU beigetreten sind. Die Beitrittsakte sieht nun die Aufnahme beider Staaten in die EU zum 1. Januar 2007 vor und beinhaltet die Möglichkeit einer Verschiebung auf den 1. Januar 2008.

Mit der festen Zusage eines Beitritts spätestens im Jahr 2008 haben sowohl die Vorgängerregierung, als auch die vorherige EU-Kommission ihren Nachfolgern eine schwierige Altlast hinterlassen, die durch feste vertragliche Bindung nur noch äußerst geringe Handlungsspielräume gestattet. Zwar hätte die Kommission den Beitritt von Bulgarien und Rumänien um ein Jahr verschieben können, aber diese Verschiebung wäre nicht mit zwingend einzuhaltenden Auflagen im Zeitraum zwischen beabsichtigtem Beitritt 2007 und tatsächlichem Beitritt 2008 verbunden gewesen, so dass der Reformdruck auf die beiden Länder völlig abgebrochen wäre. Insofern war diese Vertragsklausel eine Scheinbestimmung. Sie hätte lediglich Stillstand bedeutet, ohne die Aufnahme beider Länder in die EU wirklich verhindern oder zur Beitrittsreife bzw. Erfüllung der Beitrittskriterien zum 01.01.2008 führen zu können.

 

Aus diesem Grund sind die Ankündigungen der EU-Kommission, Schutzmaßnahmen vorzusehen, als bedeutend wirksamer einzuordnen, sofern es nicht bei den Ankündigungen bleibt. Hier liegt eine besondere Verantwortung bei den Mitgliedsstaaten und insbesondere bei der deutschen Bundesregierung. Sie muss darauf achten, dass die Schutzmechanismen zum Zeitpunkt des Beitrittes und nicht erst danach wirksam werden.

 

Da die Schutzklauseln gemäß entsprechender Bestimmungen in den Beitrittsverträgen sowohl von der EU-Kommission als auch von einzelnen Mitgliedsstaaten beantragt werden können, fordere ich die Bundesregierung auf, diesen Antrag unverzüglich bei der EU-Kommission zu stellen.

 

Obgleich nun der Beitritt von Bulgarien und Rumänien faktisch nicht mehr zu stoppen ist, sind für zukünftige Erweiterungsstrategien entsprechende Schlüsse zu ziehen.

  1. Die Verhandlungsführung sollte an sachliche Erwägungen orientiert werden und nicht ausschließlich politischem Kalkül dienen.

  2. Vor weiteren Beitritten ist die Aufnahme- und Integrationsfähigkeit der EU zu prüfen

  3. Es dürfen vertraglich keine festen Beitrittstermine mehr vereinbart werden, die die Erfüllung von Beitrittskriterien auf eine sekundäre Stufe stellen.

 

Im Übrigen müssen Schutzmaßnahmen in Zukunft als Auflagen und nicht als Sanktionen in die Beitrittsverträge aufgenommen werden. Für Auflagen ist es nicht notwendig, erneute Fortschrittsberichte abzuwarten. Sie wirken unmittelbar nach dem Beitritt ohne Zeitverzögerung.

 

Ich gehe davon aus, dass diese Erkenntnisse Bestandteil der deutschen Ratspräsidentschaft im kommenden Jahr sein werden.

 

 

Günter Baumann, MdB